DIE TEUFELSPASSAGE (Border River, George Sherman 1954)

South of the Border, Down Mexico Way. Das ist Clete Mattson’s (Joel McCrea) Ziel. Genauer gesagt ist sein Ziel die Zona Libre. Hier herrscht der General Calleja (Pedro Armendariz) wie über einen autonomen Staat. An seiner Seite lebt die schöne Carmelita Carias (Yvonne De Carlo), die sich den Annäherungsversuchen des Generals bisher erfolgreich erwehren konnte. Im Mexiko zur Zeit Benito Juarez‘ um 1865, kurz vor Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs ist Südstaaten-Offizier Mattson in geheimer Kommandosache unterwegs. Er soll bei Calleja Waffen im Wert von zwei Millionen Dollar kaufen und so für Material-Nachschub für die Konföderierten Streitkräfte sorgen. Dafür stehen ihm eine Menge Goldbarren zur Verfügung. Bald bekommen einige Ganoven, die in der Zona Libre Zuflucht gefunden haben, Wind davon und versuchen Mattson abzuzocken. Der weiß sich jedoch zu wehren und findet Unterstützung bei Carmelita, die sich umgehend in ihn verliebt. Bald steckt Mattson aber wirklich in der Bredouille als er versucht die Waffenhändler gegen den General auszuspielen, der ihm langsam aber sicher auf die Schliche kommt. Mit Hilfe zweier Armee-Kameraden, eines Detektivs und natürlich Carmelitas stellt er sich dem Despoten entgegen.

Ein knappes Jahr vor Robert Aldrich’s Gringo-Western-Prototyp VERA CRUZ (1954), der zur Blaupause für alles was nachher in dieser Richtung folgte avancierte, inszenierte Western-Routinier George Sherman einen tatsächlich ausgesprochen routinierten Beitrag zum Sub-Genre, eine Art Vorläufer des Revolutions-Western. Den Schauplatz, die Zeit und die politische Situation nutzt er dabei nur am Rande in Nebensätzen und konzentriert sich fast ausschließlich auf die sich nur wenig überraschend entwickelnde Geschichte. Die Handlung könnte genauso gut in Kanada spielen. Das ist recht schade, gibt der Stoff doch eigentlich viel mehr her.  Auf der Habenseite kann man selbstverständlich den ganz normalen Western-Helden von nebenan, Joel McCrea erleben, dem man sein fortschreitendes Alter zwar langsam ansieht, der sich aber dennoch noch recht vital aus der Affaire zieht. Sein Love-Interest ist einmal mehr Yvonne De Carlo, die es in ihren Szenen mühelos schafft alle Blicke auf sich zu ziehen und ein paar mal hintergründiger erscheint, als es das Drehbuch ihr erlaubt. Der wahre Star des Filmes ist aber Pedro Armendariz, der Charakterkopf, der seine Szenen an sich reißt und den General eben nicht als das Monster darstellt, wie es später üblich geworden ist. Sein Spiel ist ungemein vielseitig und lässt der Figur genügend Spielraum zur Interpretation versteckter Sympathien. Das ist in einem solchen Film schon sehr außergewöhnlich. Insgesamt erhält der Zuschauer einen schön gefilmten und anständig gespielten B-Western. Solide Hausmannskost, nicht mehr und nicht weniger.

MAN NENNT MICH HONDO (Hondo, John Farrow 1953)

1874: Ein Mann läuft zu Fuß durch die Wüste. In der einen Hand trägt er einen Sattel, in der anderen ein Gewehr. Begleitet wird er von einem Mischlingshund, der nicht von seiner Seite weicht. Irgendwann kommt er zu einer Farm. Angie Lowe (Geraldine Page), eine nicht mehr ganz junge Frau die hier mit ihrem halbwüchsigen Sohn Jimmy lebt, sieht den Fremden aus der Ferne, rechnet mit Gefahr. Denn hier draußen im Indianerland bekommt man nicht allzu oft Besuch und wenn doch, ist es meist mit einer Bedrohung verbunden. Von den Apachen wird sie weitgehend in Ruhe gelassen, weil diese wissen das von ihr keine Gefahr ausgeht. Als der Mann eintrifft, kann er sie sofort beruhigen. Sein Name ist Hondo Lane (John Wayne) und er ist Meldereiter für die US-Kavallerie. Die Nachrichten die er bringt sind jedoch weniger beruhigend. Er erzählt ihr von den Apachen, die jetzt auf dem Kriegspfad sind. Im Kampf mit einigen von ihnen hat er sein Pferd verloren. Er will ihr eines ihrer Pferde abkaufen, etwas essen und trinken, sich ein wenig von den Strapazen erholen. Sie berichtet von ihrem Mann, der in den Bergen auf der Jagd ist. Schnell merkt Hondo, das dies nicht stimmen kann, denn der Hof ist ziemlich heruntergekommen. Ohne es zu thematisieren verrichtet er die nötigen Arbeiten. Nach geleisteter Hilfe und leiblicher Stärkung empfiehlt er Mrs. Lowe ihn zusammen mit ihrem Sohn in ein sicheres Fort zu begleiten. Solange Apachen-Häuptling Vittoro Kriegsrat hält, sei die Situation zu unsicher. Sie lehnt ab. Er reitet fort. Wenig später erhält sie wieder Besuch. Diesmal von Häuptling Vittoro (Michael Paté) und seinen Kriegern. Im Fort angekommen, trifft Hondo auf einen Mr. Lowe, der seine Familie im Stich gelassen hat. Er schlägt ihn nieder. Da mittlerweile auch eine Armee-Patrouille vermisst wird, macht sich Hondo allein auf den Rückweg. Er kann und will die einsame Frau und ihren kleinen Sohn nicht den Indianern überlassen.

Wie einst in John Ford’s Meisterwerk und Ur-Western RINGO sehen wir John Wayne, den DUKE, in der Wüste mit Sattel und Gewehr. Nur wartet er dieses Mal nicht auf eine Postkutsche. Dennoch ist das nicht die einzige Parallele zu dem Meisterwerk von Ford, der hier als Second-Unit-Regisseur mitmischte. Mit Hondo wurde ein ähnlich ikonischer Charakter geschaffen wie seinerzeit mit Ringo. Beide Filme erzählen eine auf den ersten Blick zunächst sehr einfache Geschichte und bei beiden Filmen werden, je öfter man sie sieht, nach und nach Zwischentöne deutlich welche weit über die übliche Lesart hinausgehen. Basierend auf einem Roman von Louis L`Amour, der übrigens nahezu werktreu auf die Leinwand übertragen wurde, entfaltet sich ruhig und konzentriert eine wahrhaftige Geschichte über Ethik, Moral und Courage.

John Wayne, der den Film auch produzierte, zeigt hier auf schauspielerischer Ebene bereits Qualitäten, wie jene die seinen Ethan Edwards in DER SCHWARZE FALKE so unvergesslich machen sollten, was sicher auch am ähnlichen Background beider Figuren liegen mag. Hier ist er körperlich noch in deutlich besserer Form und wirkt regelrecht frisch und von jugendlicher Agilität für sein Alter. Seine Partnerin Geraldine Page spielte hier ihre erste Hauptrolle überhaupt und legte so den Grundstein für ihre überaus erfolgreiche Karriere. In weiteren Rollen sehen wir einen positiv besetzten Ward Bond als knurrigen Scout, James Arness als Wayne’s schärfsten Konkurrenten sowie Michael Paté in der Rolle des Apachen-Häuptlings, ein Part den er 13 Jahre später in Sam Peckinpah’s SIERRA CHARIBA deutlich grimmiger anlegen durfte. In HONDO werden die Indianer insgesamt recht differenziert dargestellt, kein Wunder, steht der Film doch in direkter Folge der indianerfreundlichen Western der Fünfziger Jahre, begonnen mit DER GEBROCHEN PFEIL. Das kann durchaus darin begründet liegen, das die Vorlage auf angeblich wahren Begebenheiten beruht. Kameraarbeit und Soundtrack harmonieren vorzüglich, die Kostüme wirken authentisch und man spürt das allenthalben auf größtmöglichen Realismus geachtet wurde. Das der Film damals in 3D gedreht wurde sieht man vor allem in den Zweikämpfen wenn frontal in die Kamera geschlagen oder gestochen wird.

John Farrow, Vater von Mia, beginnt seinen Film auf die ruhige Art und lässt sich viel Zeit um seine Hauptcharaktere zu etablieren. Im Mittelteil geht es dann schon etwas handfester zur Sache um dann auf der Zielgeraden so richtig dramatisch zu werden und in einem Action-Finale erster Güte zu enden. Mit etwas über 80 Minuten Laufzeit ist der Film von hohem Unterhaltungswert, will sagen enorm kurzweilig und lädt zum mehrmaligen sehen ein. Aufgrund der Seltenheit in der HONDO über viele Jahre zu sehen war, entwickelte sich der Film schnell zum Mythos. Ähnlich gelagerte Western wie DUELL IN DIABLO und KEINE GNADE FÜR ULZANA in denen der Feldzug gegen die Apachen aus der Sicht eines Scouts erzählt wird, gingen später deutlich ruppiger zu Werke, was sicherlich dem Zeitgeist geschuldet war. HONDO bleibt jenen gegenüber in seiner erzählerischen Klarheit von einer erhabenen Reinheit. Einer Reinheit die den Mythos auch weiterhin rechtfertigt.

DER MANN AUS ALAMO (The Man from the Alamo, Budd Boetticher 1953)

San Antonio 1836: In der Missionskirche Alamo harren knapp zweihundert Männer der Dinge die da kommen mögen. Unter ihnen befinden sich so illustre Gestalten wie Jim Bowie und der legendäre Davy Crockett. Aber auch einfache Farmer wie John Stroud (Glenn Ford) glauben an die Idee der Freiheit, die sich eingepflanzt hat in den Köpfen Gleichgesinnter und stetig wächst, seit bekannt ist das der mexikanische General Santa Anna mit mehr als 4000 Mann auf dem Weg hierher ist, um zu verhindern das Texas unabhängig wird. Als das Gerücht die Runde macht das eine Vorhut der Truppen die Siedlungen der Farmer angreifen will, losen die Eingeschlossenen einen Mann aus, der Frauen und Kinder in Sicherheit bringen soll. Das Los fällt auf Stroud. Ohne es an die große Glocke zu hängen, verlässt er Alamo, und wird dabei von Lt. Lamar (Hugh O`Brian) beobachtet, der die Korrespondenz zu General Houston halten soll. Als Stroud nach Hause kommt, ist es bereits zu spät. Die Familie ist tot, nur ein Mexikaner-Junge hat überlebt. Dieser berichtet das es sich mitnichten um mexikanische Soldaten handelte, welche das Dorf überfallen haben, sondern als Mexikaner verkleidete Weiße sollen es gewesen sein. Stroud reitet in die nächste Stadt um aufzuklären, stösst aber, bereits als Deserteur gebrandmarkt auf taube Ohren. Lt. Lamar hat ihn diskreditiert und Bürgermeister John Gage (Chill Wills) glaubt ihm nur zu gern, da Alamo bereits untergegangen ist. Stroud landet im Gefängnis um am nächsten Tag gehängt zu werden. Sein Zellennachbar ist einer der Desperados. Als dessen Gang ihn befreit, schliesst Stroud sich ihnen an. Er will die Chance nutzen um seinen Namen rein zu waschen und Rache für die Ermordung seiner Familie zu nehmen.

Sieben Jahre vor John Wayne`s monumentalem Epos ALAMO (1960) und drei Jahre vor seinem Durchbruch mit SEVEN MEN FROM NOW (1956), dem der berühmte RanOwn-Zyklus folgen sollte, zeigt Budd Boetticher in seinem kleineren aber nicht kleinen Western THE MAN FROM THE ALAMO, wie man nach allen Regeln der Kunst einen ökonomischen und trotzdem unglaublich kraftvollen und spannenden Western dreht, der sich vor größeren Produktionen nicht zu verstecken braucht. Bei ihm sind die Männer im Alamo abgerissen, unrasiert und ausgehungert, ein Realismus, der sich beim Duke-Prestige-Projekt nicht so recht einstellen will. Zudem benötigt Boetticher in seinem Film nur fünfzehn Minuten um annähernd dieselbe Geschichte zu erzählen, bzw. die Lage zu verdeutlichen in der sich die Märtyrer befinden, während Wayne dafür in der Originalversion seines Filmes dreieinhalb Stunden braucht. Eine weitere Parallele ist die Besetzung von Chill Wills, der in beiden Filmen zu sehen ist, jedoch in unterschiedlichen Rollen. Wie in allen Boetticher-Western gibt es auch hier wieder mindestens eine einzigartige Action-Szene zu bewundern, bei der einem der Atem stockt. Hier ist es ein wahrhaft selbstmörderischer Stunt, eindeutig ausgeführt von Glenn Ford selbst, der eindrucksvoll beweißt, was für ein begnadeter Reiter er war. Außerdem zeigt er sich einmal mehr als Charakterdarsteller und besticht durch sein nuanciertes Spiel. Somit bildet der unterschätzte Film weit mehr als nur eine Ergänzung zu ALAMO und besteht (zumal mehrere Jahre vorher gedreht) als originäres Werk.

DER TODESVERÄCHTER (Whispering Smith, Leslie Fenton 1948)

Luke Smith (Alan Ladd) kommt zurück in die alte Heimat und wird nicht gerade freundlich empfangen. Sein geliebter Gaul segnet sehr plötzlich das zeitliche, während er selbst auf dem Hosenboden landet. Leider kann er nicht erkennen wer ihn da aus dem Sattel geschossen hat, auch wenn er mit seinen zwei Six Shooters ziemlich schnell bei der Hand war. Wie eigentlich immer. Nicht zuletzt ist das auch einer der Gründe, weshalb er in die bekannte Gegend geschickt wurde. Seine Auftraggeber von der Bahngesellschaft ahnen jedenfalls das gar schreckliches im Gange ist und sendeten mit Whispering Smith, wie ihn die Leute nennen, ihren besten Mann. Doch lange zu klagen ist seine Sache nicht, gibt es doch vor Ort durchaus erfreuliches. Da wäre zum einen der alte Freund Murray (Robert Preston), der ebenfalls für die Eisenbahn arbeitet. Dieser wiederum ist mittlerweile mit Luke’s Jugendliebe Marian (Brenda Marshall) verheiratet. Luke ist das lieber, als das sie einen anderen geheiratet hätte und freut sich für beide. Als die Überfälle auf die Bahn zunehmen und sich langsam aber sicher herauskristallisiert, das ausgerechnet Murray mit drin steckt, muss Luke seine Loyalitäten neu überprüfen. Alte Freunde schätzt man schließlich besonders.

Von Ende der Vierziger bis Anfang der Fünfziger Jahre legte der ehemalige Schauspieler Leslie Fenton ein kleines, aber feines Western-Triple vor, das vor allem aufgrund der Character-Driven-Storys noch heute zu begeistern weiß ohne dabei angestaubt zu wirken. Es sind keine A-Produktionen sondern gehobene B-Klasse mit erlesener Besetzung. Neben DER TODESVERÄCHTER (1948) mit Alan Ladd entstanden in den zwei Folgejahren noch DIE TODESREITER VON LAREDO mit William Holden und DER REVOLVERMANN mit Glenn Ford. Alles solide Werke für Genre-Freunde. Hier geht es Fenton, im Gegensatz zu den TODESREITERn erstmal ruhig an, lässt sich Zeit für die sich langsam entfaltende Geschichte, die dann zum Ende hin so richtig dramatisch zu wird. Dabei verlässt er sich voll und ganz auf sein Darsteller-Ensemble, aus dem Robert Preston hervorsticht, der mit seiner einnehmenden Art eine Menge Punkte sammeln kann, die ihm sogar trotz seiner späten Wandlung zum Antagonisten reichlich Sympathien sichern. Ladd ist ausreichend kaltblütig und erinnert in seiner ruhigen Art manchmal sogar ein wenig an Gary Cooper, allerdings ohne dessen immer wieder mal aufblitzenden Schalk. Ladd ist eher der Schwiegersohn-Typ. Brenda Marshall kommt leider nicht über das passive Love-Interest hinaus, was schade ist. Eine besondere Erwähnung sei noch dem Albino-Killer Whitey Du Sang, gespielt von Frank Faylen zuteil, stellt er doch eines der ersten mir bekannten Exemplare dieser später noch häufiger bemühten Gattung in der Filmgeschichte dar.

GUN MAN – Nacht in der Prärie (Blood On The Moon, Robert Wise 1948)

Der Reiter kommt aus dem Nirgendwo durch den Regen, während sich langsam die Dunkelheit über das unwegsame Land legt. Er schlägt ein Lager für die Nacht in der Prärie auf, mehr schlecht als recht gewählt und bettet sich zur Ruhe. Diese Ruhe ist nur von kurzer Dauer. Denn bald beginnt die Erde zu beben und die Erkenntnis donnernde Hufe zu hören, weicht schnell der Gewissheit das sein Leben in diesem Moment bereits in höchster Gefahr ist. Ein kurzerhand erklommener Baum vermag selbiges zu retten, sein Hab und Gut freilich nicht. Eine Rinder-Stampede macht den Besitzenden zum Besitzlosen, der gerade dabei ist seine neue Lebenssituation zu verarbeiten, als er erneut Besuch erhält. Dieses Mal ist der Besuch menschlicher Natur. Es ist ein Cowboy, der den Mann nach kurzer Befragung in das eigene Lager zu einer willkommenen Tasse heißem Kaffee einlädt. Doch die Willkommenschaft wird bald neuerlicher Prüfung unterzogen. Der Besitzer der entfesselten Herde befindet sich in einem Konflikt um Weideland mit Siedlern und ist begierig zu erfahren auf welcher Seite Neuankömmling Jim Garry zu stehen gedenkt. Der hält sich zunächst bedeckt, einerseits um die unangenehme Situation nicht überzustrapazieren, andererseits weil er längst Kenntnis von einem möglichen Konflikt hat, folgte er schließlich dem Ruf eines alten Freundes, der zufällig an der Spitze der Siedler steht. Da die Wahrheit natürlich viele Gesichter hat, gerät Jim Garry bald in einen anderen Konflikt. Nämlich den mit sich selbst. Und dieser bringt eine Entscheidung zwischen Loyalität und Gewissen mit sich.

Sieht man sich die Karriere von Robert Mitchum zur Entstehungszeit des Filmes an, ist es erst sein zweiter Western nach PURSUED – VERFOLGT (1947), dem berühmten Noir-Western von Raoul Walsh. NOIR ist auch ein Stichwort welches für diesen Film gerne bemüht wird. Das ist nur bedingt richtig. Vielmehr wird in vielen Szenen, vergleicht man die Bildkompositionen mit denen von Wise’s Schnittarbeit an diversen Filmen von Orson Welles deutlich, die auch das NICHT(!)-Genre des Film Noir zumindest beeinflusste. Eine ausgefeilte Licht-Schatten-Dramaturgie mit starken Kontrasten, einer meisterhaften Schnitt-Technik und einer aktzentuierten Raumgestaltung, überdeutlich zu sehen in der Saloon-Szene mit Mitchum und Robert Preston, zeugt von perfektem Handwerk ganz im Dienste des Filmes, für welches Wise so gerühmt wird. Der unbedingte Stilwille überträgt sich durch die anhaltende Unwetter-Atmosphäre und eine düstere Schwere, die ganz dem Seelenleben des Protagonisten entspricht, der als buchstäblich Entwurzelter auf der Suche nach seiner Identität ist, der einen Reifeprozess durchmacht, der auch vom Zuschauer verlangt wird. Schon der Grundkonflikt zwischen Siedlern und Viehzüchtern unterscheidet sich von üblichen Genre-Schemata. Er wird in sein Gegenteil verkehrt indem hier in erster Linie letztere die Leidtragenden sind, während die Siedler ihre Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen versuchen. Das alles dargestellt mit einer Authentizität und einem Bildrealismus, den man in anderen Filmen des Genres oft vergeblich sucht. Robert Mitchum liefert mit seiner Darstellung die Blaupause für sein kommendes Image als großer Melancholiker. Er strahlt eine tiefe Traurigkeit aus, welche sich über den gesamten Film legt und die von Walter Brennan’s unglücklichem Farmer nur noch vertieft wird. Einzig das Ende kommt etwas zu zügig und bleibt der einzige kleine Schönheitsfehler an diesem meisterhaften Western von Robert Wise, dessen scharfe Präzision den Unterschied zu vergleichbaren Filmen des Genres schafft.

HERRIN DER TOTEN STADT (Yellow Sky, William A. Wellman 1948)

Sieben Bankräuber fliehen durch die Salzwüste. Nach großen Strapazen sind die Männer froh, in eine Stadt zu kommen. Hier wähnen sie Wasser, Nahrung und Erholung. Weit gefehlt. Yellow Sky ist eine Geisterstadt, verlassen seit einiger Zeit. Nur der alte Grandpa und seine Enkelin Mike sind geblieben. Er, weil er krank und gebrechlich ist, sie, weil sie sich mit Hingabe um ihn kümmert. Wasser und Vorräte gibt es kaum. Doch dafür Gold. Gold, das der alte Grandpa mit seiner eigenen Hände Arbeit zu Tage gefördert hat. Auf Kosten seiner Gesundheit. Die sieben Outlaws brauchen nicht lange um spitz zu kriegen, das hier etwas zu holen ist. Doch Mike hält die Bande gehörig in Schach. Dumm nur, das sie sich in den Anführer Stretch verliebt. Und der muss sich jetzt für eine Seite entscheiden.

Nachdem William A. Wellman 1927 mit dem Kriegsfilm „Wings – Flügel aus Stahl“ den allerersten Oscar für den besten Film gewonnen und 1931 mit „The Public Enemy – Der öffentliche Feind“ den ersten sozialkritischen Gangsterfilm von gesellschaftspolitischer Relevanz gedreht und nebenbei James Cagney zum Star gemacht hatte, wendete er sich erstmals seit Beginn des Tonfilmes bewußt dem Western zu. Dieses uramerikanischste aller Genres stand zu diesem Zeitpunkt noch vor seiner Blüte, die jedoch auch dank William A. Wellman, bald folgen sollte. Hatten zuvor unter anderem John Ford, Raoul Walsh und Cecil B. DeMille fleißig die Mythen und Legenden gestrickt, die heute noch zur Verklärung der amerikanischen Geschichte beitragen, wählte Wellman einen anderen Ansatz, einen realistischen, fast dokumentarischen. Bei ihm gab es keine Helden. Im Gegenteil. In „The Ox-Bow Incident“ präsentierte er mit der Figur des von Henry Fonda gespielten Gil Carter, einen der ersten Antihelden des Genres. Am eindrucksvollsten gelang ihm die Entmystifizierung aber im hier vorliegenden „Yellow Sky“, nach einer Story des großen W.R. Burnett. Ein Film der, wenn man ihn zum ersten mal sieht, eine Sogwirkung entfaltet die ihres gleichen sucht. Der Überfall, der Ritt durch die Wüste, die Ankunft in der Geisterstadt, all das inszeniert mit kühler Distanz, kein Klischee weit und breit. Wir wissen noch immer nicht zu wem wir gehören, mit wem wir uns identifizieren können. Bis Anne Baxter auftaucht. Doch auch das fällt dem meist männlichen Zuschauer schwer. Erst will man nur einen Unterschlupf, etwas Wasser, etwas Nahrung. Was verwehrt wird. Dann geht es um Gold. Später ums nackte überleben. Die sieben Banditen wechseln mal die Seiten, vertragen sich wieder nur um sich anschließend gegenseitig zu zerfleischen. Und mittendrin die aufsehenerregend starke Anne Baxter in der Rolle der Mike, die mit ihrem Großvater versucht, irgendwie aus der Nummer herauszukommen. Denn die Gegenseite ist nicht ohne. Es ist schon beeindruckend zu sehen wie der sonst so auffrechte Gregory Peck diesen zwielichtigen und ambivalenten Charakter gibt („Duel in the Sun“ lässt grüßen). Er selbst hielt ihn für eine seiner besten Darstellungen. Übertroffen wird er nur noch vom damals nahezu unbekannten Richard Widmark, der mit dieser Rolle endlich seinen mehr als verdienten Durchbruch hatte. Einem Schakal gleich, zähnefletschend gierig und trotzdem einnehmend charismatisch. Mir fällt kein Schauspieler dieser Zeit ein, der ihm ebenbürtig gewesen wäre. Das Kammerspiel in der Wüste beweißt, das es eine düstere Atmosphäre auch bei sengender Hitzegeben kann und Schwarzweiß war selten so schön wie hier. Der Western war erwachsen geworden. William A. Wellman schenkte uns danach noch mit „Across the Wide Missouri“ und „Westward the Women“ zwei weitere Meisterwerke, ersteres dank massiver Kürzungen kaum noch als solches zu erkennen, das Zweite so strahlend schön wie „Yellow Sky“.

DER VAGABUND VON TEXAS (Along Came Jones, Stuart Heisler 1945)

Alles beginnt damit das Monte Jarrad (Dan Duryea) die Postkutsche überfällt und ein paar Männer erschießt. Einige Meilen weiter vagabundieren die zwei glücklosen Cowboys Melody Jones (Gary Cooper) und George Fury (William Demarest) durch die Gegend. Melody, immer ein Lied auf den Lippen, nimmt das Leben leicht und wie es kommt. Ihm ist relativ egal wohin es geht und um Arbeit reißt er sich auch nicht gerade. Den Belehrungen seines älteren Freundes zum Trotz, träumt er am liebsten in den Tag hinein. Als die beiden nach Payneville kommen, wundern sie sich nicht schlecht, mit wie viel Respekt ihnen hier begegnet wird. So etwas sind sie gar nicht gewohnt. Während George ziemlich schnell Lunte riecht, das was nicht stimmen kann, gefällt sich der eigentlich gutmütige Melody in der Rolle des harten Burschen. Allerdings übersieht er dabei geflissentlich, das ihm einige Leute ans Leder wollen. In letzter Sekunde kann ihn Cherry de Longpre (Loretta Young) davon überzeugen, sie auf ihre Farm zu begleiten, wo sie vermeintlich in Sicherheit seien. Doch dort lauert schon Cherry’s Jugendliebe Monte, welcher nicht unglücklich darüber ist, das man Melody Jones überall mit ihm verwechselt hat. Dabei sehen sich die Männer nicht einmal besonders ähnlich. Cherry entdeckt bald, das auch Melody so seine Qualitäten hat. Aber schiessen gehört nicht dazu. Was aber nichts macht. Denn das kann sie selbst recht gut.

Der einzige selbst produzierte Film von Gary Cooper, inszeniert von Stuart Heisler nach einem Drehbuch von Nunnally Johnson, ist die klassische Abkehr vom Image des coolen Loners, welches Coop immer anhaftete. Nachdem zuvor bereits in einigen ernsteren Filmen wie THE WESTERNER von William Wyler sein komödiantisches Talent aufblitzte, wollte er wenigstens einmal in die Vollen gehen. Und tatsächlich, der Humor steht ihm gut. Wie Cooper diesen tollpatschigen, dem seine Größe des öfteren zum Verhängnis wird, singenden Cowboy gibt, zeugt von wahrer Größe. Der Mann hatte es einfach drauf. Wenn man einmal gesehen hat, wie er seine ganze Körpersprache von sensibler, keiner Fliege was zu Leide tuender Hallodri auf harter Macker umstellt, weiß man das er alles hätte spielen können. Natürlich besteht in einer solchen Rolle immer die Gefahr des Overactings, doch Coop hat seine Marotten fest im Griff, so das er immer rechtzeitig zurückrudert. Daraus ergibt sich eine der liebenswertesten Figuren die er je gespielt hat. Zusammen mit Loretta Young bildet er ein Paar, das zu jeder Zeit nachvollziehbar bleibt und das obwohl sie ihn ständig anschwindelt. Für den nötigen Ernst in der Geschichte, schließlich haben wir es hier immer noch mit einem Western zu tun, sorgt Dan Duryea, der mal wieder voll in seinem Element ist und seinen Bösewicht mit gefährlichem Understatement vor der Lächerlichkeit bewahrt. So geht es trotz allem Augenzwinkern und vielen lustigen Szenen noch richtig ans Eingemachte bevor zum Happy End geläutet werden kann. Und das kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.

DRAUßEN WARTET DER TOD (The Last Frontier, Anthony Mann 1955)

Häuptling Red Cloud befindet sich auf dem Kriegspfad. Er vernichtet strategisch eine Linie von Außenposten der US-Army. Drei Trapper kommen ihm in die Quere, aber mit dem Leben davon und bieten sich alsbald der Armee als Kundschafter an. Einer der drei, Jed Cooper, kennt die Zivilisation nicht und hofft aufgenommen zu werden, dadurch seinen Platz im Leben zu finden. Der neue Fort-Kommandant Marston drängt auf die offene Konfrontation mit den Indianern und bald scheint eine Entscheidungsschlacht unausweichlich. Als sich Cooper in dessen Ehefrau verliebt, ist er nicht nur zwischen Freiheitsdrang und Pflichterfüllung hin und her gerissen, sondern muss auch handeln und einen Krieg verhindern um sich seinen Traum von einem zivilisierten Leben erfüllen zu können.

Anthony Manns neunter Western entstand unmittelbar nach dessen letzter Zusammenarbeit mit James Stewart und bringt sogleich einen kleinen Stil-Wechsel mit sich. Waren es in den Vorgängerfilmen noch zivilisierte Männer, die sich zur Gewalt hinreißen ließen, geht es hier um das genaue Gegenteil, einen wilden unzivilisierten, ungebildeten und halbwilden Waldläufer Jed (Victor Mature), der nach den Freuden der Zivilisation strebt, sich in seinem Streben aber immer wieder der Dummheit und Arroganz der vermeintlich fortschrittlichen Gesellschaft stellen muss und ein ums andere Mal an ihr zweifelt, gar irgendwann zum Umkehrschluss, ob sein Leben nicht doch das lebenswertere ist, kommt. Nicht geringen Einfluß auf ihn haben dabei seine zwei Begleiter, ein alter Trapper (James Whitmore) und ein Indianer (Pat Hogan). Während der Alte zeitlebens versucht hat, Jed möglichst vor der sogenannten Zivilisation zu schützen bzw. zu bewahren, in dem Wissen das sie vor allem Leid und Kummer über die Menschen bringt, kann der Indianer ohnehin nur in der Wildnis existieren.
Anthony Mann verpackt dies alles nach einem Drehbuch von Philip Yordan in ein Grenz-Abenteuer, angesiedelt während des Bürgerkrieges 1864 in den Rocky Mountains, genauer in einem Fort, voll von Soldaten (u.a. Guy Madison) die im großen Bruderkrieg versagt haben und nun hier zur Strafe im Indianerland die letzte Bastion halten müssen. Unter ständigen Angriffen Red Clouds muss sich nicht nur Indianern auf dem Kriegspfad, sondern auch einem von blindem Ehrgeiz angetriebenen Vorgesetzten (Robert Preston) zur Wehr gesetzt werden, der nichts anderes als Angriff ohne Rücksicht auf Verluste im Sinn hat, weil er in Wahrheit von Minderwertigkeitskomplexen zerfressen ist. Jed versucht im weiteren Verlauf die zukünftigen Seinen, jedenfalls jene zu denen er gehören will, zu schützen, denn draußen wartet der Tod.
Philip Yordan’s gesellschaftskritisches Dialogbuch setzt bei seiner Hauptfigur ganz auf den inneren Konflikt zwischen simplem Unabhängigkeitsstreben und Freiheitsdrang, gegen die Sehnsucht nach Geborgenheit in einer Gemeinschaft, sich zum einen in den Gesprächen mit Riordan (Madison) niederschlagend, zum anderen nach Liebe, zu sehen in seiner Beziehung zu Corinna Marston (Anne Bancroft), der Frau des Kommandanten (Preston). Im wunderbaren Heyne-Buch „Die 100 besten Western-Filme“ (zu denen er auch nach der Meinung des Rezensenten zählt) steht:
„DRAUßEN WARTET DER TOD ist ein leidenschaftlicher Angriff gegen die menschliche Dummheit und die grenzenlose Eitelkeit der Offiziere der amerikanischen Armee. Mann arbeitet die Schwächen dieser Gesellschaft schonungslos heraus.“
(Bouineau/Charlot/Frinbois).
Dem widerspricht einzig die von Produzenten-Seite erzwungene Schluß-Sequenz in diesem Hohelied auf das Individuum. Dem gegenüber steht widerum freilich eine der schönsten Eröffnungsszenen des Genres, wenn die drei unherstreifenden Trapper plötzlich von Indianern, die an ihr Hab und Gut wollen, umringt sind und sich erst einmal an Ort und Stelle zu einem entspannten Frühstück niederlassen.
Wichtig zu erwähnen wäre noch die Rolle des, wie meistens bei Anthony Mann’s Western, heimlichen Hauptdarstellers, der Landschaft, in diesem Film eingefangen von William Mellor, der mit Mann schon bei NACKTE GEWALT (The Naked Spur, 1953) zusammen arbeitete. Dicht bewachsenen Waldhänge, zerklüftete und unwegsame Schluchten, kaum Flächen für größere Auseinandersetzungen gibt es hier zu sehen, immer droht die Gefahr unmittelbar und aus der Dunkelheit heraus, für die Indianer optimale Möglichkeiten nach Guerilla-Art plötzlich zuzuschlagen, während die Soldaten stets auf der Hut sein müssen und jederzeit mit einer Attacke rechnen müssen. Situationen in denen sich der Held der Geschichte zu Hause fühlt und die er sich zu Nutze machen kann, wenn es ihm dient. Gedreht wurde (lt. IMDB) interessanter Weise in Mexiko, worauf man nie kommen würde, zu authentisch erscheinen die Rocky-Mountains-typischen Berglandschaften.

WINCHESTER ’73 (Anthony Mann 1950)

Es beginnt, wie in jeder guten Geschichte, eigentlich ganz einfach:
Lin McAdam (James Stewart) und sein Partner High-Spade (Millard Mitchell), mit Bindestrich zum sich darauf ausruhen, kommen im Jahre 1876 nach Dodge City. Ein Wettschießen soll den besten Schützen des Landes bestimmen. Der Hauptpreis ist die legendäre neue Winchester `73, eine von tausend, streng limitiert. Lin rechnet sich gute Chancen auf den Sieg aus, will aber eigentlich etwas ganz anderes.
High-Spade: „Dutch Henry hat Lin’s Vater ermordet. Deshalb jagt er ihn. Vor allem weil Dutch Lin’s Bruder ist. So war das. Der Alte hatte zwei Söhne. Einer der beiden war schlecht. Überfiel eine Bank. Eine Postkutsche. Aber als er sich dann zu Hause verstecken wollte, hat der Alte es nicht zugelassen. Also hat Dutch ihn erschossen. Von hinten.“

Mit diesem Monolog Millard Mitchell’s zu der von Shelley Winters gespielten Figur Lola endet dieses einzigartige Werk, welches sowohl für seinen Star James Stewart, als auch für dessen Regisseur Anthony Mann, der Beginn einer „neuen“ (bedeutenderen) Karriere sein sollte und gleichzeitig den Start- und zugleich Höhepunkt einer äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit markierte, der noch vier weitere Western und insgesamt sieben weitere Filme folgen sollten, in denen sie die psychologischen Themen, welche bereits hier ihre Entsprechung finden, weiter ausloteten, bis sie sich beim Dreh des sechsten Western NIGHT PASSAGE (James Neilson, 1957) vollends überwerfen sollten und nie wieder zusammen arbeiteten.
Die Winchester `73, um die sich in diesem Film alles dreht, ist dabei schon weit mehr als nur der klassische MacGuffin, sondern handlungstragendes Element, so sehr, das es sich der Film erlauben kann über weite Passagen auf seinen eigentlichen Hauptdarsteller zu verzichten, so dass die „Hauptstory“ praktisch den Rahmen für all die anderen Episoden bildet, ohne aber dabei je ihre Bedeutung zu verlieren. Zur Entstehungszeit ein Novum. Mit all diesen „kleinen“ Geschichten im Rahmen der „großen“ erzählt der Film fast noch mehr erkenntnisreiches über den „Wilden Westen“ und seine Geschichte (und auf der Meta-Ebene über das Genre des Western selbst) als beispielsweise eine Mega-Produktion wie HOW THE WEST WAS WON (Henry Hathaway, George Marshall, John Ford 1962).
Anthony Mann: „WINCHESTER 73 war einer meiner größten Erfolge und ist auch mein Lieblingswestern. Das Gewehr, das von Hand zu Hand weitergereicht wurde, ermöglichte es mir, eine ganze Epoche mit ihrer Atmosphäre einzufangen. Ich glaube wirklich, das der Film alle Zutaten zu einem Western enthält und sie alle zusammenfasst.“ (aus JAMES STEWART – LEADING MAN, Jonathan Coe 1994)
Doch Mann gelang hier noch viel mehr. Ein referentieller Film fernab verklärender Mythologie, der die Filme der vergangenen Western-Dekade (1939 – 1949) und ihre Standardsituationen als eine Art Best-Of verarbeitet, ohne auch nur für eine Sekunde seine Eigenständigkeit zu verlieren. So muss WINCHESTER `73 nach dem 1939er STAGECOACH von John Ford als DIE Initialzündung für den Fortbestand des zu dieser Zeit annähernd ausgereizten Genres gesehen werden, wie es zehn Jahre später THE MAGNIFICENT SEVEN von John Sturges noch für ein letztes Mal sein sollte. Der im nachhinein glückliche Umstand das kein geringerer als Fritz Lang sein langgehegtes Wunschprojekt abgab, war für B-Film-Regisseur Anthony Mann eine außerordentlich karrierefördernde Maßnahme, die für ihn den Aufstieg in die A-Liga bedeutete, in deren Folge er einige der bedeutendsten Western der Fünfziger Jahre inszenierte, sowie später große epische Werke wie die Monumentalfilme EL CID oder THE FALL OF THE ROMAN EMPIRE.
Neben der makellosen Inszenierung, der einfallsreichen Kamera-Arbeit, der präzisen, bisweilen überraschenden Montage und dem atmosphärischen Soundtrack, bildet das ausgeklügelte Drehbuch unter Mitwirkung von Borden Chase die Basis für das in jeder Beziehung eindrucksvoll aufspielende Ensemble unter Führung James Stewarts, in seinem erst zweiten Auftritt in einem Western nach DESTRY RIDES AGAIN (1939) von George Marshall (BROKEN ARROW von Delmer Daves war zwar bereits abgedreht, aber noch nicht veröffentlicht) , welcher noch sein (Capra-)Image des bauernschlauen, aufrichtigen Jungen vom Lande nutzte, während WINCHESTER `73 einen durch und durch von Rache getriebenen, dunklen Charakter präsentierte, der obwohl mit vermutlich gleichem Background wie seinerzeit Destry, durch den verlorenen Krieg (auf konföderierter Seite) massiv an Ambivalenz gewinnt, wie wir gleich zu Beginn des Filmes erleben dürfen. James Stewart komplettierte mit dieser Rolle seine darstellerische Bandbreite und besaß umgehend ein neues Image, erreichte gar ähnlich ikonenhaften Status wie sein ehemaliger WG-Kollege Henry Fonda als aufrechter Amerikaner mit all seinen Schwächen und Brüchen. Später bezeichnete Stewart zwar Alfred Hitchcock und John Ford als seine Lieblingsregisseure, doch was wäre er wohl ohne Anthony Mann im allgemeinen und ohne den Film WINCHESTER `73 im besonderen geworden?…
Millard Mitchell ist als High-Spade weit mehr als nur bloßer Sidekick des (Anti-)Helden, bildet das moralische Gewissen des Filmes, denjenigen der die Widersprüche verdeutlicht in die sich der Partner verstrickt, Menschlichkeit einfordert wenn es geboten ist und/oder Bedenken äußert, kurz, seinen Schützling unterstützt und zu ihm steht. Zum einen weil er der Einzige ist der es tut, zum anderen, weil er sich dessen Fehlbarkeit entgegenstellen will indem er ihn lenkt, berät und ihm jeder Beziehung Rückendeckung gibt.
Stephen McNally alias Dutch Henry Brown wirkt vor allem in der englischen Originalfassung besonders bedrohlich (in der Synchronisation eher wie ein etwas prolliger 08/15-Schurke). Er gibt den Bad Guy mit zurückhaltend überlegtem Understatement (ab und an mit jähzornigen Ausbrüchen), und lässt keinen Zweifel daran, das er jederzeit zu morden bereit ist um seine Ziele durchzusetzen. Seine Männer achten und fürchten ihn zugleich. Vor allem in der ersten Filmhälfte kann er seine Trümpfe voll ausspielen und seinem Charakter Tiefe verleihen, bis er in der zweiten Hälfte nahezu unschlagbare Konkurrenz durch den unverwechselbaren Dan Duryea bekommt, um im Finale wieder aufzutrumpfen.
Shelley Winters ist als Lola, ein Tingeltangel-Girl mit Herz, noch nicht ganz so üppig wie in späteren Rollen, wirkt geradezu zart und spielt ihren Part gewohnt kantig und selbstbewusst und schafft es (wie eigentlich immer) ihrer Figur größtmögliche Symphatie abzuringen. Bereits bei ihrer ersten Begegnung mit Stewart sieht man das unsichtbare Band, das beide verbindet und es ist im Prinzip sofort klar, das sie sich hier nicht das letzte Mal getroffen haben. Leider gerät sie im Verlauf des Filmes immer wieder an die „falschen“, weiß sich aber jederzeit zu behaupten und so ihre Würde zu bewahren.
Eine wahre Pracht für Freunde des Schauspieler-Kinos ist der bereits erwähnte Auftritt von Dan Duryea als Waco Johnny Dean im letzen Drittel des Filmes. Eine Seltenheit in der Filmgeschichte, das ein in jeder Hinsicht perfekter Film noch derartig von der Leistung und Spielfreude eines Nebendarstellers geadelt wird. Ein Auftritt der so gut ist, das er allein das ansehen des Filmes rechtfertigen würde. Eine Schande das dieser Mann beinahe nur Nebenrollen spielen durfte.
In den weiteren Nebenrollen tummelt sich allerhand etablierte Supporting-Prominenz, wie John McIntire, Will Geer und Jay C. Flippen, ein jeder mit erinnerungswürdigen Szenen, aber auch damals aufstrebende Jungstars wie Rock Hudson und Tony Curtis, welche bereits beträchtliche Leinwand-Präsenz zeigen und durchaus Akzente zu setzen vermögen.
Überhaupt umweht den Film nicht nur ein Hauch von Geschichte und Geschehen, tauchen doch ständig prominente Protagonisten wie Wyatt Earp und Bat Masterson auf oder sind Gesprächsthema, wie etwa Buffalo Bill. Außerdem werden parallel zur erzählten Geschichte stattfindende historische Ereignisse wie die Schlacht am Little Big Horn und der Untergang der 7ten Kavallerie unter General George Armstrong Custer und ihre Auswirkungen in den Dialogen berücksichtigt. Das alles gibt dem Film einen unglaublich realistisch anmutenden Anstrich und bildet den Bodensatz für die enorm kurzweilig und spannend erzählte Story.

12 UHR MITTAGS (High Noon, Fred Zinnemann 1952)

Es ist der Tag an dem er geheiratet hat. Und ja, es ist auch der Tag an dem er sein Amt niederlegen wollte. Doch der neue Marshall kommt erst morgen. Frank Miller, ein Verbrecher den er vor einigen Jahren dingfest gemacht hat, nimmt jedoch keine Rücksicht auf das was Will Kane gerade macht oder machen wollte. Denn er will Rache. Und sein Bruder, der gemeinsam mit zwei weiteren Halsabschneidern am örtlichen Bahnhof darauf wartet, das der frisch aus dem Gefängnis Entlassene pünktlich zur nahenden Mittagsstunde eintrifft, interessiert sich ebenfalls herzlich wenig für Will Kane’s Bedürfnisse. Doch nicht nur sie kümmern sich nicht darum. Auch Kane’s frisch angetrautes Eheweib möchte diese Stadt am liebsten sofort hinter sich lassen. Sie mag es gar nicht gern sehen, das ihr neuer Ehemann nun freiwillig bereit ist Überstunden zu machen, aus einem Verantwortungsgefühl gegenüber den Bürgern der Stadt heraus. Den selben Bürgern, die ihm einer nach dem anderen ihre Hilfe verweigern, deren er sich zuvor so sicher war. Damals, als er Miller das erste Mal verhaftet hatte, standen sie alle an seiner Seite. Damals hatte er aber auch sechs Deputys, die alle mit dem Colt umgehen konnten. Jetzt hat er nur noch einen. Und der trinkt, weil er frustriert ist. Die Stunde Null rückt näher. Und damit der Moment der Wahrheit. Ein schlechter Zeitpunkt um seine Prinzipien über Bord zu werfen. Was passieren soll, passiert. So oder so.

Fred Zinnemann, österreichischer Exilant in Hollywood, schuf mit HIGH NOON einen Film der nicht nur zu den berühmtesten Western zählt, sondern auch zu den berühmtesten Filmen überhaupt. Das liegt zum einen daran, das er in erster Linie als spannender Western eine einfache, für jeden nachvollziehbare Geschichte erzählt. Zum anderen, das man sehr viel in ihn hinein interpretieren kann. Manches gewollt und zurecht ( z.B. McCarthy/Faschismus), anderes bleibt spekulativ. Es ist ein Western, der die Freunde des Genres in zwei Lager teilt. Aber es ist ebenso ein Film, mit dem auch Menschen die normalerweise keine Western schauen, etwas anfangen können. Das es sich hierbei um ein Werk von großer Meisterschaft handelt, steht außer Frage. Film ist Team-Arbeit. Die Kamera orientierte sich an fotografischen Originalaufnahmen aus der Zeit in der der Film spielt. Realismus war oberstes Gebot. Dimitri Tiomkins Titelmelodie „Do Not Forsake Me, Oh My Darling“ hat jeder schon mal gehört. Mit einfachsten Mitteln dreht Zinnemann stetig an der Spannungsschraube. Coppola zitiert den berühmten Schwenk zur Wanduhr ausgiebig in RUMBLE FISH. Das Howard Hawks und einige andere ihre Version der selben Geschichte erzählt haben zeigt, das man den Film auf unheimlich viele verschiedene Arten betrachten kann. Zu kritisieren wäre eventuell, das dem Film ein bisschen zu sehr die konzeptionelle Machart anzusehen ist, das er nicht gerade leichtfüssig daherkommt und sich vielleicht etwas zu ernst nimmt. Das dürfte aber Zinnemanns typischem analytischem Stil geschuldet sein. Schwere Themen lagen ihm. Soweit ich weiß hat er sich, bis auf ein Musical, nie an einem leichten Stoff versucht.