HERRIN DER TOTEN STADT (Yellow Sky, William A. Wellman 1948)

Sieben Bankräuber fliehen durch die Salzwüste. Nach großen Strapazen sind die Männer froh, in eine Stadt zu kommen. Hier wähnen sie Wasser, Nahrung und Erholung. Weit gefehlt. Yellow Sky ist eine Geisterstadt, verlassen seit einiger Zeit. Nur der alte Grandpa und seine Enkelin Mike sind geblieben. Er, weil er krank und gebrechlich ist, sie, weil sie sich mit Hingabe um ihn kümmert. Wasser und Vorräte gibt es kaum. Doch dafür Gold. Gold, das der alte Grandpa mit seiner eigenen Hände Arbeit zu Tage gefördert hat. Auf Kosten seiner Gesundheit. Die sieben Outlaws brauchen nicht lange um spitz zu kriegen, das hier etwas zu holen ist. Doch Mike hält die Bande gehörig in Schach. Dumm nur, das sie sich in den Anführer Stretch verliebt. Und der muss sich jetzt für eine Seite entscheiden.

Nachdem William A. Wellman 1927 mit dem Kriegsfilm „Wings – Flügel aus Stahl“ den allerersten Oscar für den besten Film gewonnen und 1931 mit „The Public Enemy – Der öffentliche Feind“ den ersten sozialkritischen Gangsterfilm von gesellschaftspolitischer Relevanz gedreht und nebenbei James Cagney zum Star gemacht hatte, wendete er sich erstmals seit Beginn des Tonfilmes bewußt dem Western zu. Dieses uramerikanischste aller Genres stand zu diesem Zeitpunkt noch vor seiner Blüte, die jedoch auch dank William A. Wellman, bald folgen sollte. Hatten zuvor unter anderem John Ford, Raoul Walsh und Cecil B. DeMille fleißig die Mythen und Legenden gestrickt, die heute noch zur Verklärung der amerikanischen Geschichte beitragen, wählte Wellman einen anderen Ansatz, einen realistischen, fast dokumentarischen. Bei ihm gab es keine Helden. Im Gegenteil. In „The Ox-Bow Incident“ präsentierte er mit der Figur des von Henry Fonda gespielten Gil Carter, einen der ersten Antihelden des Genres. Am eindrucksvollsten gelang ihm die Entmystifizierung aber im hier vorliegenden „Yellow Sky“, nach einer Story des großen W.R. Burnett. Ein Film der, wenn man ihn zum ersten mal sieht, eine Sogwirkung entfaltet die ihres gleichen sucht. Der Überfall, der Ritt durch die Wüste, die Ankunft in der Geisterstadt, all das inszeniert mit kühler Distanz, kein Klischee weit und breit. Wir wissen noch immer nicht zu wem wir gehören, mit wem wir uns identifizieren können. Bis Anne Baxter auftaucht. Doch auch das fällt dem meist männlichen Zuschauer schwer. Erst will man nur einen Unterschlupf, etwas Wasser, etwas Nahrung. Was verwehrt wird. Dann geht es um Gold. Später ums nackte überleben. Die sieben Banditen wechseln mal die Seiten, vertragen sich wieder nur um sich anschließend gegenseitig zu zerfleischen. Und mittendrin die aufsehenerregend starke Anne Baxter in der Rolle der Mike, die mit ihrem Großvater versucht, irgendwie aus der Nummer herauszukommen. Denn die Gegenseite ist nicht ohne. Es ist schon beeindruckend zu sehen wie der sonst so auffrechte Gregory Peck diesen zwielichtigen und ambivalenten Charakter gibt („Duel in the Sun“ lässt grüßen). Er selbst hielt ihn für eine seiner besten Darstellungen. Übertroffen wird er nur noch vom damals nahezu unbekannten Richard Widmark, der mit dieser Rolle endlich seinen mehr als verdienten Durchbruch hatte. Einem Schakal gleich, zähnefletschend gierig und trotzdem einnehmend charismatisch. Mir fällt kein Schauspieler dieser Zeit ein, der ihm ebenbürtig gewesen wäre. Das Kammerspiel in der Wüste beweißt, das es eine düstere Atmosphäre auch bei sengender Hitzegeben kann und Schwarzweiß war selten so schön wie hier. Der Western war erwachsen geworden. William A. Wellman schenkte uns danach noch mit „Across the Wide Missouri“ und „Westward the Women“ zwei weitere Meisterwerke, ersteres dank massiver Kürzungen kaum noch als solches zu erkennen, das Zweite so strahlend schön wie „Yellow Sky“.

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